Experteninterview: Was tun gegen den Halbleitermangel?
23. Juni 2022Deres Eshete wuchs in Äthiopien auf. Schon früh interessierte er sich für Physik und Mathematik. Das war der Grundstein für seine Karriere vom Ingenieur zu einer Rolle in der globalen Unternehmensführung. Heute ist Deres Berater und Partner von SI Electronics. Wir haben ihn gefragt, wie er die derzeitige Situation auf dem Halbleitermarkt bewertet, welche globalen Auswirkungen sie hat – und wie er zu SI Electronics gekommen ist.
Deres, Du bringst mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Halbleiterindustrie mit. Warum hast Du Dich jetzt für den Wechsel zu SI Electronics entschieden?
Deres: Meine Karriere habe ich mit der Entwicklung elektronischer Lösungen in der Automobilindustrie begonnen. Danach habe ich mehrere Tätigkeiten in der Produktion von Halbleitern übernommen und in Führungspositionen gearbeitet. Während meiner beruflichen Laufbahn ist der Halbleitermarkt extrem gewachsen. Von rund 300 Mrd. USD im Jahr 2015 auf derzeit fast 500 Mrd. USD. Bis Ende des Jahrzehnts erreicht er voraussichtlich über 800 Mrd. USD – ein enormes Wachstum! Halbleiter sind aus allen Bereichen unseres Lebens nicht mehr wegzudenken: vom Transportwesen, über die Kommunikation, die Industrie, KI bis hin zur Medizin.
Und hier hat sich SI Electronics positioniert. Das Unternehmen identifiziert die wichtigsten Gründe für den derzeitigen Chipmangel und baut darauf intelligente Beschaffungslösungen auf. Wir wissen, dass elektronische Lösungen immer höhere Anforderungen erfüllen müssen – besonders, wenn es um die Verarbeitung von Signalen und die Umwandlung von Energie geht. Deshalb war die Partnerschaft mit SI Electronics für mich die ideale Lösung. Ich freue mich darauf, unseren Kunden und der breiten Bevölkerung Lösungen für den Chipmangel bieten zu können. Gemeinsam verfügen wir über das nötige Expertenwissen und die Grundlage, um die aktuelle und künftige Nachfrage nach Halbleitern decken zu können. Langfristig sehen wir das Problem weniger in der Verfügbarkeit innovativer Lösungen. Vielmehr müssen wir in eine bessere Planung, ein effektives Management von Bedarfssignalen, Beständen, Obsoleszenz und Produktion investieren. Gleichzeitig unterstützen wir unsere Kunden bei der Entwicklung nachhaltiger Wachstumsstrategien durch eine intelligente Beschaffung.
Die Halbleiterindustrie ist das Rückgrat des technologischen Fortschritts. Und gerade jetzt erleben wir einen nie da gewesenen Engpass in der Lieferkette. Wie konnte es dazu kommen?
Deres: Allein für den Bau von E-und Hybridautos benötigen wir doppelt so viele Halbleiter wie für Fahrzeuge mit Verbrennermotor. Die globale Vernetzung nimmt mit der Einführung bandbreitenintensiver Technologien wie 5G exponentiell zu und führt ebenfalls zu einem höheren Bedarf an Signal- und Leistungshalbleitern. Diese Trends zusammengenommen pushen die Nachfrage – und verknappen zwangsläufig das Angebot. Der Versorgungsengpass verschärft sich zudem, weil die Produktionsstätten Schwierigkeiten haben, mit der hohen Nachfrage Schritt zu halten. Die Beschaffung von Rohstoffen und der Bau von Fertigungsanlagen dauern einfach lange.
Welche Strategie verfolgt SI Electronics bei der Bekämpfung dieses Mangels?
Deres: Wir bei SI Electronics setzen auf langfristige Partnerschaften mit unseren Kunden. Dafür identifizieren wir zunächst deren spezifische Herausforderungen und Chancen und gehen diese dann gemeinsam an. Dabei setzen wir auf intelligente Beschaffungspraktiken. Das bedeutet, dass wir uns um das Bestandsmanagement und Engpasslösungen durch globale Beschaffung und Second Sourcing kümmern. Wir übernehmen die überschüssigen Bestände eines Kunden, damit dieser seine Logistikkosten senken und Kapital freisetzen kann.
Was versteht SI Trading unter Intelligent Sourcing?
Deres: In der Vergangenheit gab es bei der Beschaffung hauptsächlich zwei Wege: über Direktanbieter und Distributoren. Direktanbieter sind Halbleiterhersteller, die nur die von ihnen hergestellten Chips verkaufen. Distributoren dagegen konzentrierten sich auf engere geografische Regionen oder Kunden, die sonst nicht direkt von Halbleiterherstellern bedient werden. Partner für Intelligent Sourcing sind das Bindeglied zwischen diesen beiden Arten von Beschaffern und verschiedenen Regionen. In unserem Fall haben wir Zugang zu einem globalen Netzwerk mit dessen Hilfe wir Beschaffungsstrategien anbieten können. Die Produktion unserer Kunden läuft weiter! Wir nutzen nicht nur unser globales Netzwerk von Lieferanten, sondern verfügen auch über ein internes Team von Ingenieuren und technischen Mitarbeitern. Sie analysieren Second-Source-Möglichkeiten und stellen die Echtheit und Sicherheit der Produkte sicher, die unsere Lager verlassen.
War diese Krise auch nur ansatzweise vorhersehbar?
Deres: Schon zu Beginn der Pandemie rechneten Vertreter der Branche damit, dass es zu einer Halbleiterknappheit kommen würde. Das Ausmaß dieser Krise hat uns jedoch überrascht. Jetzt erkennen wir, dass Investitionen in eine intelligente Beschaffung die beste Möglichkeit sind, um eine solche Krise künftig zu verhindern. Die Automobilindustrie war und ist am stärksten betroffen. Für den Bau eines Fahrzeugs werden mehrere Hundert Halbleiterbauteile benötigt. Sie können sich vorstellen, wie schwerwiegend die Unterbrechung der Lieferkette ist, wenn auch nur ein einziges Bauteil zur Einstellung der Produktion des gesamten Fahrzeugs führt. Aus diesem Grund arbeiten wir bei SI Electronics mit verschiedenen Zulieferern und Kunden zusammen und nutzen Bestandsmanagement, neue Produktionsanlagen und Second-Sourcing-Datenbanken als Grundpfeiler für unsere intelligenten Beschaffungspartnerschaften.
Ist ein Ende der Halbleiterknappheit absehbar? Wie könnte unsere Welt nach der Krise aussehen?
Deres: Es ist sehr schwierig, ein genaues Ende vorherzusagen. Vielleicht wird die Halbleiterknappheit nie ganz verschwinden, sondern eher zu einem latenten Problem. Mit dem, was wir jetzt wissen, können wir in intelligentere Beschaffungssysteme investieren. So lassen sich Angebot und Nachfrage besser aufeinander abstimmen. Wir hoffen, dass wir damit ein wenig dazu beitragen können, dass sich diese Krise nicht wiederholt. Intelligente Beschaffung bleibt daher auch in den kommenden Jahren relevant. Wir müssen unser Ökosystem strategischer Partner ausbauen, damit wir die passenden Lösungen zum richtigen Zeitpunkt anbieten können.