Manipulierte Bauteile? Mit diesen Strategien erkennen Sie Fälschungen

10. Oktober 2023

Die Halbleiterindustrie kämpft weiterhin mit vereinzelten Lieferengpässen, die Wartezeiten für einige Serien sind mitunter lang. Neben dem „natürlichen“ Engpass für elektrische Komponenten hat die Halbleiterkrise den Trend zu manipulierten und gefälschten Bauteilen befeuert. Aus Furcht vor Produktionsstopps und nicht kalkulierten Lieferengpässen stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, wie sie den Umlauf gefälschter Bauteile unterbinden.

Welche Frühwarnsysteme helfen?

Ein effektiver Weg zur frühzeitigen Erkennung von Fälschungen und Manipulationen ist die Auswahl von Lieferanten aus dem freien Markt, die über eine methodisch gesicherte Qualitätsstrategie verfügen. Allerdings sind die Zeiten vorbei, in denen Fälschungen beispielsweise durch schlecht kopierte Logos oder fehlerhafte Beschriftungen relativ einfach zu erkennen waren. Im Zuge der Preisentwicklung auf dem Halbleitermarkt seit 2018 steigen die Chancen auf Gewinne weiter – bei minimalem juristischen Risiko. Manipulierte Bauteile sind nur noch mit sehr hohem Aufwand von den Originalen zu unterscheiden. Effektive Analysemethoden zur Echtheitsbestimmung sind darum ein notwendiges Instrument zur Qualitätssicherung. Zur Erkennung von Fälschungen müssen modernste Analysemethoden eingesetzt werden.

Refurbishment, Manipulation, Fälschung

Nicht nur die Methoden der Fälscher sind vielfältig, sondern auch die Fälschungen selbst. Generell lassen sich Bauteilmanipulationen in drei Kategorien einteilen:

Refurbishment

Als Refurbishment, englisch für „Wiederaufbereitung“, werden manipulierte Bauteile bezeichnet, die vor allem aus Elektroschrott gewonnen werden. Diese Bauteile werden von ihren alten Platinen entlötet und gereinigt. Häufig wird anschließend die alte Beschriftung der Bauteile entfernt, ein Lack – das sogenannte Blacktopping – aufgetragen und das Bauteil dann als neu verkauft. Was sehr nachhaltig klingt, ist es bei Weitem nicht: Die Herkunft und die Betriebsbedingungen der Bauteile aus dem Elektroschrott sind unbekannt. Die Folge: Die Bauteile funktionieren entweder von Anfang an nicht oder fallen nach kurzer Zeit in der neuen Anwendung aus. Ganze Chargen von Leiterplatten wandern so wieder in den Elektroschrott und erhöhen damit den CO2-Fußabruck der Produktion deutlich.

Beschriftungsmanipulation

Hierbei handelt es sich um meist schwer zu erkennende Manipulationen. Die Fälscher verwenden funktionierende Originalbauteile und täuschen durch leichte Anpassung der Bauteilbeschriftung vor, dass es sich um ein höherwertiges Bauteil handelt, das beispielsweise höhere Ströme oder Betriebstemperaturen verträgt.

Klon/Fälschung

Als Klone oder Fälschungen werden Nachbauten von Bauteilen bezeichnet, die vortäuschen sollen, das originale Bauteil zu sein. Dabei werden in der Regel qualitativ minderwertige Herstellungsverfahren angewendet und die Zuverlässigkeit des originalen Bauteils wird nie erreicht. Je nach Bauteil werden die Bauteilbeschriftungen des Originalherstellers emittiert. Bei passiven Bauteilen, wie beispielsweise LEDs, reicht es häufig aus, das Label und die Umverpackung zu fälschen, da die Bauteile keine Beschriftung aufweisen. Diese Teile werden oft als „Full Label“ mit lesbarem Trace-Code angeboten. Hier werden zunehmend sogar real existierende Trace-Codes verwendet, weshalb auch hier nur ein genauer Blick weiterhilft.

Prüf- und Testansätze für jeden Härtefall

Um Fälschungen vom Original unterscheiden zu können, sind detaillierte Untersuchungen der physikalischen Eigenschaften der Bauteile notwendig. Angefangen bei der äußeren Struktur (etwa durch Lichtmikroskopie, Vermessung der Gehäusegeometrie oder Wischtest, vgl. Bild 1) bis hin zur Analyse des inneren Aufbaus (etwa durch Röntgen, vgl. Bild 2).

Dabei werden verschiedene Eigenschaften abgefragt, beispielsweise um festzustellen, ob ein Bauteil nachträglich umbeschriftet und somit umdeklariert wurde. Mit dem Aceton-Wischtest etwa lassen sich Manipulationen wie aufgebrachte Lackschichten nachweisen. Aber auch in diesem Bereich lernen die Fälscher ständig dazu. Die angewandten Techniken sind dann mit Standardverfahren oft nicht mehr zu erkennen, sodass die Betrachtung eines einzelnen Parameters, etwa durch einen Wischtest, nicht ausreicht.

Angesichts dieser Situation ist es unbedingt ratsam, einen Lieferanten auf dem freien Markt zu wählen, der methodische Strategien zur Erkennung von Fälschungen implementiert hat. Die Normen AS6081, AS6171 und IDEA-STD-1010 sind dabei die wichtigsten Richtlinien. Nur so lassen sich die Zuverlässigkeit des Endprodukts sicherstellen und die Reklamationsquote niedrig halten.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat SI Electronics umfangreiche Analysemethoden im hauseigenen Prüflabor integriert, damit auch die besten Fälschungen erkannt werden.

Original
Fälschung

Bild 1: Selbst Bauteile im Wert weniger Cent sind vor Fälschungen nicht sicher. Unter dem Lichtmikroskop zeigt sich: Im Vergleich zum Original ist das Gehäuse der gefälschten Bauteile deutlich minderwertiger. Obwohl die Funktionstests im Prüflabor bestanden wurden, konnten die Bauteile nicht die Zuverlässigkeit eines Originalbauteils bieten. In diesem konkreten Fall wurden das Label und die Umverpackung des Originalherstellers gefälscht.

Original
Fälschung

Bild 2: Bei „einfachen“ passiven Bauteilen reicht oft schon die Fälschung der Umverpackung aus, um ein minderwertiges Teil als hochwertiges Originalteil zu verkaufen. Im gezeigten Beispiel ist zu erkennen, dass vor allem am (teuren) Halbleiter gespart wurde. Der Emitter des Originals beträgt etwa 30 Prozent. Im Original wurde für den Emitter zudem ein anderer Aufbau gewählt. Die Fälschung kann hier nur durch eine detaillierte Untersuchung nachgewiesen werden.

Der Autor

DR.-ING. PAUL BRAUN, Global Director Quality Control & Research, SI Electronics

Dr.-Ing. Paul Braun ist promovierter Materialwissenschaftler und leitet das SI TechLAB. Sein Spezialgebiet sind Halbleiter. ​Vor seinem Wechsel zu SI koordinierte und optimierte er die Prüfprozesse in einem großen Elektroniklabor in Bensheim und leitete ein Team von 35 Mitarbeitenden.​ Er ist Absolvent der Materialwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt mit den Abschlüssen Bachelor, Master und Promotion.​