KI und Automatisierung: Die Zukunft der Halbleiterfertigung (Teil 2)
22. August 2023Agiler, effizienter, autonomer: Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierungslösungen verändern die Halbleiterindustrie schon heute radikal. Im zweiten Teil unserer Serie werfen wir einen Blick in die spannende Zukunft der digitalen Megatrends.
KI eröffnet Halbleiterunternehmen enorme Potenziale entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von Forschung und Chipdesign bis hin zu Produktion und Vertrieb. Das war das Fazit des ersten Artikels dieser zweiteiligen Reihe. Der Innovationsschub kommt zur rechten Zeit, denn die Branche kämpft mit steigenden Kosten.
Der Halbleitermarkt floriert, doch die Kosten steigen
Laut Vantage Market Research wird der globale Halbleitermarkt von 429,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf erstaunliche 712,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2028 anwachsen. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Chipentwicklung. Laut EE Times Europe kostete die Entwicklung eines 5-nm-Chips im Jahr 2020 rund 540 Millionen US-Dollar – im Jahr 2016 waren es für 65-nm-Chips noch deutlich weniger als 50 Millionen US-Dollar.
KI und Automatisierungssoftware könnten die Produktion effizienter und kostengünstiger machen. Eine Studie von McKinsey geht davon aus, dass die Implementierung von KI und maschinellem Lernen (ML) der Halbleiterindustrie jährliche Mehreinnahmen von bis zu 40 Milliarden US-Dollar vor Steuern bringen könnte. In den nächsten vier Jahren könnte sich dieser Wert auf bis zu 95 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: Nur rund 30 Prozent der von McKinsey befragten Halbleiterhersteller geben an, dass sie durch KI und ML bereits Wert generieren. Die restlichen 70 Prozent befinden sich noch in der Pilotphase. Ein Hauptgrund: Viele Manager sind unsicher, in welchen Anwendungsfällen die KI-Lösungen den größten Mehrwert bringen. Es fehlen schlicht Erfahrungswerte, auf denen Strategie und Roadmap aufbauen könnten. Zudem fehlt es häufig an der passenden IT-Infrastruktur und an qualitativ hochwertigen Daten, mit denen KI- und ML-Systeme trainiert werden können. Diese Daten werden in der Regel durch Sensoren in der Fabrik gesammelt, was zusätzliche Investitionen in Hardware und Datenverarbeitungskapazitäten erfordert.
Vier Anwendungsbereiche für KI in der Halbleiterindustrie
- Scheduling
KI kann bei der Planung von Produktionsprozessen helfen, um die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. - Inspektion
KI kann die Qualitätskontrolle unterstützen, indem sie Abweichungen von der Norm in Daten feststellt. - Optimierung
KI kann Prozesse optimieren, indem sie Datenmuster erkennt und auswertet und Ineffizienzen identifiziert. - Entscheidungen
KI kann durch Datenauswertungen bei der Entscheidungsfindung helfen, von der Logistik über die Fertigung bis hin zu Dienstleistungen.
Use Cases für KI in der Halbleiterindustrie
Betrachten wir beispielsweise die Lithografie-Station in einer typischen Halbleiterfabrik. Dort werden Schaltkreismuster auf Silizium-Wafer projiziert. Sensoren an den Maschinen liefern kontinuierlich Daten über Betriebsbedingungen wie Temperatur, Druck und Geschwindigkeit. KI und ML können in diesen Daten wiederkehrende Muster erkennen – und damit auch Anomalien. So lässt sich vorhersagen, wann eine Maschine wahrscheinlich ausfallen wird. Die Betreiber können die Wartungsarbeiten passgenau planen und ungeplante Stillstände vermeiden. Außerdem werden Optimierungspotenziale deutlich: Die Auswertung der Sensordaten kann beispielsweise dabei helfen, den Druck und die Temperatur für die Projektion der Schaltkreismuster zu optimieren. Dadurch lassen sich die Produktivität steigern und der Ausschuss reduzieren.
Oder nehmen wir den Ätzprozess: Die Ätztiefe ist ein entscheidender Parameter für die Funktionalität eines Chips – und hängt von der Prozesszeit ab. Herkömmliche Methoden zur Vorhersage der optimalen Prozesszeit basieren auf linearen Modellen. Sie können die komplexen nicht linearen Zusammenhänge in realen Systemen nicht vollständig abbilden. Mit maschinellem Lernen aber lassen sich selbst hochkomplexe Strukturen erfassen und damit die ideale Prozesszeit ermitteln.
KI kann auch Defekte und Fehler erkennen, die Menschen übersehen. Möglich macht dies „Computer Vision“ – eine KI, die aus digitalen Bildern oder Videos aussagekräftige Informationen extrahiert. Ein Beispiel sind Defekte auf Wafern: Ein Convolutional Neural Network (CNN) kann darauf trainiert werden, Bilder von Wafern zu analysieren und selbst kleinste Abweichungen festzustellen, die auf einen Defekt hindeuten könnten. Das kann die Qualitätskontrolle auf ein neues Niveau heben und die Ausschusskosten senken.
KI gehört die Zukunft der Halbleiterbranche
Die Bedeutung von KI/ML und Automatisierungslösungen in der Halbleiterindustrie wird in den nächsten Jahren drastisch zunehmen. Eine spannende Phase der Transformation beginnt. Die Herausforderungen sind zweifelsohne groß. Der Wandel eröffnet aber auch enorme Chancen für Wachstum, Innovation und Optimierung. Die Fähigkeit der Unternehmen, die Vorteile der künstlichen Intelligenz zu nutzen, könnte über den weiteren Erfolg in einer datenzentrierten Halbleiterproduktion entscheiden.